Albert Einstein soll einmal gesagt haben: «Der Zinseszinseffekt ist das achte Weltwunder. Wer ihn versteht, verdient daran, alle anderen bezahlen ihn.» Auch Warren Buffet, einer der erfolgreichsten Investoren der letzten Generationen, soll sich geäussert haben: «Mein Leben [Vermögen] ist ein Produkt des Zinseszinseffektes.»
In Anlehnung daran, möchten wir den Zinseszinseffekt jetzt nicht mehr bezahlen, sondern daran verdienen. Dafür müssen wir ihn in den Grundzügen verstehen. Der Zinseszinseffekt besteht aus vier wesentlichen Faktoren:
- Kapital
- Kapitalertrag (Zins, Dividende, Mieteinnahme etc.)
- Reinvestition der Kapitalerträge
- Zeit
Um uns dies vorzustellen, schauen wir ein Beispiel an. Wir investieren ein Kapital von CHF 1’000.- in breit diversifizierte Wertpapiere. Der Kapitalertrag beträgt 6,5%. Nach einem Jahr ist der Kapitalertrag also CHF 65.-.
Wenn wir reinvestieren, ist das neue Anfangskapital nun CHF 1’065.-. Der Kapitalertrag im nächsten Jahr sind nun nicht mehr CHF 65.- sondern CHF 69.25. Eine Übersicht über 10 Jahre:
Bei der Betrachtung auf dem Handy empfehlen wir für die Tabellendarstellung das Querformat.
Zeit | Kapital in CHF | Kapitalertrag von 6,5% |
---|---|---|
Jahr 1 | 1’000.00 | 65.00 |
Jahr 2 | 1065.00 | 69.23 |
Jahr 3 | 1’134.23 | 73.72 |
Jahr 4 | 1’207.95 | 78.52 |
Jahr 5 | 1’286.47 | 83.62 |
Jahr 6 | 1’370.09 | 89.06 |
Jahr 7 | 1’459.14 | 94.84 |
Jahr 8 | 1’553.99 | 101.01 |
Jahr 9 | 1’655.00 | 107.57 |
Jahr 10 | 1’762.57 | 114.57 |
Ohne, dass wir nun weiteres Kapital hinzugefügt haben, hat der Zinseszinseffekt bewirkt, dass wir nach 10 Jahren nicht mehr weit vom doppelten Kapitalertrag – im Vergleich zum 1. Jahr – entfernt sind. Das heisst, dass die Zeit einen erheblichen Wert hat und bringt uns zu Warren Buffet.
Er hat mit Jahrgang 1930 bereits in der Jugend begonnen zu investieren und hat heute (Stand August 2022) ein Vermögen von rund 99 Milliarden Dollar. Dieses Ergebnis ist geprägt durch kluges Investieren, Zufall, aber auch viel Zeit!
Das Konzept scheint in der obigen Tabelle einfach und logisch. Die wahre Auswirkung entfaltet sich in der Zeit, weil es sich um exponentielles Wachstum handelt. Wir Menschen unterschätzen die Kraft von exponentiellem Wachstum enorm. Eine Geschichte aus Indien ist dafür einprägsam: Ein Höfling narrt den König Sher Khan, indem er zu ihm sprach: «Nichts weiter will ich, edler Gebieter, als dass Ihr das Schachbrett mit Reis auffüllen möget. Legt ein Reiskorn auf das erste Feld, und dann auf jedes weitere Feld stets die doppelte Anzahl an Körnern.»
Der Kaiser unterschätzte den exponentiellen Wachstum auf den 64 Feldern des Schachbrettes und schuldete dem Höfling 18 Trillionen, 446 Billiarden, 744 Billionen, 73 Milliarden, 709 Millionen, 551 Tausend und 615 Reiskörner, was ungefähr 11 Milliarden Eisenbahnwagen voll Reis entspricht. Der Höfling wurde der neue Berater des Kaisers Sher Khan. Die Geschichte ist hier ausführlicher nachzulesen.
Wir wissen nun also, dass die Vorstellungskraft uns da ein Schnippchen spielt. Wir müssen uns die Zahlen visualisieren, damit wir sie begreifen. Dafür nehmen wir die drei Personen A, B und C aus dem Beitrag zum Humankapital. Wir gehen davon aus, dass alle drei Personen jeweils 10% ihres Einkommens sparen und breit diversifiziert anlegen (Ertrag konstant 6,5%). Das Kapital erhöht sich somit jährlich durch das Sparen und durch den Kapitalertrag, was beides einen Einfluss auf den Zinseszinseffekt hat.
Bei der Betrachtung auf dem Handy empfehlen wir für die Tabellendarstellung das Querformat.
Person A «Mindestlohn» | Person B «Angestellte:r» | Person C «Akademiker:in» | |
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Sparrate pro Jahr => | 45 Jahre à CHF 5’200.- pro Jahr | 10 Jahre à 5’200.- 10 Jahre à 6’500.- 10 Jahre à 7’800.- 15 Jahre à 9’100.- | 10 Jahe à 0.- 10 Jahre à 9’100.- 10 Jahre à 10’400.- 15 Jahre à 11’700.- 5 Jahre à 13’000.- |
Alter in Jahren | Kapital inkl. Ertrag | Kapital inkl. Ertrag | Kapital inkl. Ertrag |
20 | 5’200.00 | 5’200.00 | 0.00 |
25 | 36’731.38 | 36’731.38 | 0.00 |
30 | 79’932.11 | 81’232.11 | 9’100.00 |
40 | 220’214.56 | 241’497.59 | 141’181.20 |
50 | 483’544.00 | 559’880.66 | 406’658.51 |
65 | 1’369’345.56 | 1’659’981.79 | 1’337’975.25 |
Gespart total Zinseszins total | 239’200.00 1’130’145.56 | 340’000.00 1’319’381.79 | 390’000.00 947’975.25 |
Um die Wechselwirkung von Kapital und Zeit im Zusammenhang mit dem Zinseszins zu erfassen, betrachten wir zuerst die absolute Sparsumme. Person A – das gesamte Leben den Mindestlohn verdient – hat total CHF 239’000.- gespart. Person C – während Studium keine Einnahmen, später dafür höhere – hat CHF 390’000.- gespart. Was 10% ihres jeweiligen Humankapitals ist.
Die Zahlen inklusive des Zinseszinses verblüffen. Obwohl viel weniger gespart, hat Person A die Person C überholt. Zwar lediglich um etwas mehr als CHF 30’000.-, aber dennoch überholt. Warum? Wegen der Zeit. Person A hat zwar Ende des Arbeitslebens weniger als die Hälfte von Person C verdient, aber 10 Jahre früher mit Investieren begonnen.
Beim Humankapital haben wir von zwei Faktoren gesprochen. Die «Qualität» (wie viel wir verdienen) und die «Quantität» (wie lange wir verdienen). Beim Zinseszins sind diese beiden Faktoren ebenfalls wichtig. «Qualitativ» (wie viel Geld wir anlegen) und «quantitativ» (wie lange wir Geld anlegen). Dazu kommt der Kapitalertrag. Dieser dritte Faktor ist dafür verantwortlich, dass aus der linearen Steigerung (wie beim Humankapital oder beim reinen Sparen) beim Zinseszins-Effekt eine exponentielle Steigerung wird. Dies ist der rationale Grund, wieso Geld anlegen mit einem jährlichen Kapitalertrag grösser als 0 für den Vermögensaufbau essentiell ist.
Emotionsecke
Dieser Beitrag ist ultimativ zahlenlastig. Investieren hat nur zu einem Teil mit Zahlen zu tun. Zu einem anderen Teil mit Emotionen. Aus diesem Grund sprechen wir immer wieder die Emotionen an. Nämlich schrieb bereits Benjamin Graham im Buch Intelligent Investieren von 1949, dass intelligentes Investieren zu einem grossen Anteil aus psychologischen Faktoren bestehe. Deswegen auch an dieser Stelle: Wie fühlst du dich, auf der Reise der finanziellen Bildung?
Von Arkad aus Babylon haben wir erfahren, dass wir nur in Dinge investieren sollen, wenn wir diese auch verstehen. Um viele Dinge in der Finanzwelt zu verstehen, müssen wir also auch den Zinseszins verstehen. Und: Du hast es geschafft! Du hast dich bis hier hin durchgearbeitet! Gratulation!
Praxis-Hack
Den Zinseszins können wir nur annäherungsweise verstehen. Um ein Gefühl für die Wirkung von Kapital und Zeit auf den Zinseszins zu erhalten, müssen wir unsere Logik erweitern. Weil exponentielles Wachstum logisch schwierig zu erfassen ist, müssen wir es eben in ein Gefühl umwandeln. Dafür hilft uns, wenn wir uns immer wieder Zahlen visualisieren. Ein Tool ist dafür die oben verlinkte Excel-Tabelle, welche auch selbst hergestellt oder verändert werden kann. Ein gutes Tool ist auch der Zinsrechner von Moneyland. Triff Annahmen, berechne, korrigiere und berechne wieder. Schnell wirst du dein Gefühl trainieren können.
Kurzgefasst |
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Uns fällt es schwer, exponentielles Wachstum zu begreifen. Der Zinseszinseffekt ist exponentielles Wachstum. Deshalb sind Beispiele notwendig, damit wir ein Gefühl dafür entwickeln (siehe Beitrag). Um einen Zinseszinseffekt zu erreichen sind vier Dinge notwendig: – Kapital – Kapitalertrag (Zins, Dividende, Mieteinnahme etc.) – Reinvestition der Kapitalerträge – Zeit |
Quellen: Warren Buffet, Intelligent Investieren, Über die Psychologie des Geldes